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HeizenRegionalErneuerbare Energien

Startschuss Wärmewende. Kommunale Wärmeplanung in Ingelheim.

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Klimaneutralität bis 2045: Dieses ambitionierte Ziel hat sich Deutschland gesetzt. Um das zu erreichen, muss die Energiewende an Fahrt aufnehmen. Und zwar sektorenübergreifend – also bei Strom, Wärme, Gebäuden, Verkehr und Industrie. Vor allem im Gebäudebereich soll die sogenannte kommunale Wärmeplanung dem Vorhaben neuen Schwung geben. Worum es dabei geht und was die Stadt Ingelheim plant, erklärt die Rheinhessische im Folgenden.

Wärmeplan als Grundlage für Transformation.

Mehr Tempo für Energiewende und Klimaschutz: So lautet die Aufgabe für die kommenden Jahre. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Hier schlummert Potenzial zur CO2-Senkung. Denn rund 75 Prozent der Wärme erzeugen nach wie vor fossile Energieträger – zum Großteil Erdgas. Der Umstieg auf erneuerbare Energien gilt deshalb als ein Baustein, damit Deutschland die Klimaziele langfristig erreicht. Der Transformationsprozess kann aber nur unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort gelingen. Genau hier kommt die sogenannte kommunale Wärmeplanung ins Spiel. Sie bildet die Grundlage, um eine weitestgehend klimaneutrale Wärmeversorgung zu erreichen. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt: Im Gesetz für die „Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ sollen sowohl Städte als auch Kommunen und Gemeinden dazu verpflichtet werden, eine kommunale Wärmeplanung vorzulegen. Auch das neue Gebäudeenergiegesetz ist eng mit der Wärmeplanung verzahnt. So greifen die strengeren Regelungen für den Heizungstausch nur, wenn ein verbindlicher Wärmeplan vorliegt und kein Nahwärmeanschluss möglich oder sinnvoll ist. Das GEG wurde bereits durch den Bundestag beschlossen und muss Ende September noch durch den Bundesrat bestätigt werden. Auch das Gesetzt zur „Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ soll noch im Herbst verabschiedet werden.

Das ist die kommunale Wärmeplanung.

Um die Wärmewende erfolgreich und effektiv zu gestalten, sind verschiedene Schritte nötig. Auch in der Region. „Zunächst gilt es, mittels Bestandsanalyse den Wärmebedarf im Versorgungsgebiet genau zu bestimmen“, weiß Joachim Klein, Geschäftsbereichsleiter Energiedienstleistungen bei der Rheinhessischen. Um welche Gebäudetypen handelt es sich? Wie ist der Bau- und Dämmzustand? Und welche Versorgungsinfrastruktur ist bereits vorhanden – gibt es etwa ein Gasnetz oder liegen in einigen Straßenzügen bereits Fern- oder Nahwärmeleitungen? Ist der Bedarf bestimmt, folgt eine sogenannte Potenzialanalyse. „Hier prüfen wir, welche Energiequellen vor Ort vorhanden sind und welches Wärmepotenzial sich so erschließen lässt“, erklärt der Fachmann für Energielösungen. Dabei spielen verschiedene Gewinnungsarten eine Rolle: etwa Abwasserleitungen, industrielle und kommunale Abwärme, Biomasseanlagen, Geothermie, Nah- und Fernwärme, aber auch Wärmepumpen und Solarthermie. Basierend auf den Ergebnissen lässt sich ein Szenario zur Deckung des künftigen Wärmebedarfs erstellen und daraus konkrete Maßnahmen ableiten.

Potenziale sinnvoll nutzen.

Wichtig zu wissen: Welche Wärmelösung am Ende angeboten werden kann, ist von den Gegebenheiten vor Ort abhängig. „Vor dem Hintergrund umfangreicher eigener Erfahrungen bei Energielösungen bietet die Rheinhessische die erforderlichen Dienstleistungen zur Durchführung der kommunalen Wärmeplanung zusammen mit Partnern an. Dabei sind die Lösungen durchaus unterschiedlich“, betont der Energieexperte. So lohnt es sich meistens nicht, kleinere Wohnquartiere an ein Fernwärmenetz anzuschließen, da die Entfernungen zur Erzeugungsanlage und zwischen den Häusern zu groß sind. Hier bietet sich dann eher Geo- oder Solarthermie an. „Am Ende müssen wir auf eine Mischung aus Systemen setzen. Nur so erreichen wir ein sowohl technisch als auch wirtschaftlich tragbares Ergebnis.“ Klar ist aber, dass die Wärmetransformation auch aus Sicht der Netze begleitet werden muss. Immerhin geht es darum, neue Gebiete zu erschließen, das vorhandene Gasnetz möglicherweise auf- und umzurüsten sowie Stromanschlüsse für Solarthermieanlagen oder Wärmepumpen zu ermöglichen. „Hier kommt auf uns auch als Netzbetreiber eine große Rolle zu“, betont Joachim Klein.

Ingelheim geht voran.

Auch wenn die Rahmenbedingungen noch nicht final geklärt sind, geht die Stadt Ingelheim in Sachen Wärmewende bereits mit gutem Beispiel voran. So sind die nötigen Anträge zur Durchführung einer Studie, die das mögliche regenerative Wärmepotenzial und dessen Umsetzung für Ober-Ingelheim prüfen soll, bereits eingereicht. Hier ist die Wärmeplanung Teil des sogenannten integrierten Quartierskonzepts. Schon jetzt kommen regenerative Wärmekonzepte auch an anderer Stelle bei neuen Bauprojekten zum Tragen. So wird gerade bei einigen Neubauprojekten der Wohnungsbaugesellschaft Ingelheim am Rhein GmbH (WBI) der Anschluss an neue Nahwärmenetze geprüft. Die Rheinhessische unterstützt die WBI hier bei Planung und Beurteilung. Aber auch für die kommunale Wärmeplanung der Stadt Ingelheim sind bereits erste Weichen gestellt. Zunächst stehen Bestands- und Potenzialanalyse auf dem Plan, um anschließend Fokus-Projekte zu bestimmen, die technisch und wirtschaftlich umsetzbar erscheinen. Bis es so weit ist, wird allerdings noch einige Zeit ins Land gehen. Der Startschuss ist für Ende 2023 geplant.

Darum lohnt es sich, mit der Heizungssanierung auf die Wärmeplanung zu warten.

Die strukturierte Planung der Wärmewende birgt mehrere Vorteile: sowohl für Stadt und Kommune als auch ganz konkret für Eigentümer:innen. Durch die Nutzung regenerativer Energiequellen für die Wärmeerzeugung macht Deutschland sich langfristig unabhängiger von fossilen Energieträgern wie Öl, Erdgas und Kohle. Gerade beim Erdgas steht weiterhin das Risiko von Lieferengpässen am Gasmarkt und somit auch von Preissteigerungen im Raum. Auch die Preisentwicklung beim Strom als Energieträger etwa für den Betrieb von Wärmepumpen lässt aktuell noch keine Entlastung erkennen. Mit dem Umstieg auf Erneuerbare könnte sich das in Zukunft verbessern. Denn in vielen Fällen stammt die Energie für den Betrieb von Wärmepumpen heute noch nicht aus regenerativen Quellen. Eine zentrale Wärmeerzeugung beispielsweise über kalte Nahwärme kann für Privatleute möglicherweise mit Versorgungssicherheit und Preisvorteilen punkten.
Für Anwohner:innen bietet die Wärmeplanung aber vor allem eins: Orientierung und Planungssicherheit. Denn sobald klar ist, welche Gebiete mit Nahwärme erschlossen werden oder wo doch eher auf individuelle Lösungen wie Wärmepumpen oder Solarthermie gesetzt wird, entstehen für Eigentümer:innen im besten Fall neue Perspektiven in Sachen Wärmeversorgung. „Wer weiß, dass in absehbarer Zeit ein Nahwärmeanschluss vor der Tür liegt, kann ganz anders planen“, betont Joachim Klein. Er ergänzt: „Da ist es unter Umständen sinnvoll, den Gaskessel erst mal nicht zu erneuern, sondern die Zeit mit Reparaturen und kleinen Optimierungen zu überbrücken. Und ist kein Netz geplant, weiß man zumindest sicher, dass es sich lohnt, über Alternativen nachzudenken.“

FAQ: Die vier Schritte zum Wärmeplan.

1. Bestandsanalyse

Der erste Schritt umfasst eine systematische und qualifizierte Erhebung des aktuellen Wärmebedarfs beziehungsweise Wärmeverbrauchs im Versorgungsgebiet sowie der daraus resultierenden Treibhausgasemissionen. Zusätzlich werden Informationen zu Gebäudetypen und Baualtersklassen ausgewertet, um den Sanierungsstand abzuschätzen. Dazu gehört auch die Versorgungsinfrastruktur.

2. Potenzialanalyse

Hierbei spielen zweierlei Aspekte eine Rolle: Zum einen erfasst die Analyse Möglichkeiten, um den Wärmebedarf zu senken, also Energieeinsparungen. Zum anderen erhebt sie lokal verfügbare Potenziale erneuerbarer Energien und von Abwärmeprozessen.  

3. Zielszenario

Aufbauend auf den Ergebnissen aus Bestands- und Potenzialanalyse wird im dritten Schritt ein Szenario entwickelt, das den zukünftigen Wärmebedarf mit erneuerbaren Energien deckt und so eine klimaneutrale Wärmeversorgung ermöglicht.

4. Wärmewendestrategie

Im letzten Schritt formulieren Stadt oder Gemeinde einen Transformationspfad zur Umsetzung des Wärmeplans inklusive ausgearbeiteter Maßnahmen, Prioritäten und eines Zeitplans.

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