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©Martin Leclaire
RegionalAufbäumen

„Nichts ist beständiger als der Wandel“.

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Bereits viele Jahre kümmert sich Florian Diehl um den Ingelheimer Stadtwald. Dabei steht für ihn das Wohl des Waldes stets an erster Stelle. Ein Porträt.

Revierförster Florian Diehl pflegt und betreut seit über 20 Jahren „seinen“ Stadtwald Ingelheim – und ist gleichzeitig Gesicht der Baumpflanzaktion „Gemeinsam aufbäumen“ der Rheinhessischen. Was ihn antreibt und welche Aufgaben dazugehören, verrät das Porträt.

„Mein Vater war Förster, mein Großvater war Förster, wollen Sie noch wissen, was dessen Vater gemacht hat?“ Die Antwort erübrigt sich. Florian Diehl, grauer Bart und aufmerksame Augen, kommt aus einer „Förster-Dynastie“. Seit mehr als 20 Jahren kümmert er sich nun schon mit Leib, Seele und Verstand um „seinen“ Ingelheimer Stadtwald.

Allzu viele Berufsalternativen hat es für ihn nie gegeben, vielleicht Polizist, da hatte er sich sogar mal beworben, oder Berufssoldat, aber im Grunde war der Wald schon immer die erste Wahl. So folgte auf ein landwirtschaftliches Fachabitur ein forstwirtschaftliches Studium. „Hinter dem Beruf steckt einiges an Theorie, aber natürlich kann ich auch noch ordentlich die Axt schwingen.“ Seine Statur lässt daran keinerlei Zweifel aufkommen.

Die Natur als großes Buch.

Das beeindruckende „Regelwerk der Natur“, die Möglichkeit, Teil des Ganzen zu sein, das macht den Job für ihn so reizvoll. „Die Natur ist wie ein großes Buch, das man lesen und von dem man lernen muss.“ So ergibt sich auch für ihn als Mensch ein steter Entwicklungsprozess. „Nichts ist beständiger als der Wandel. Die Natur denkt nicht nach, die Prozesse finden einfach statt, Sinnvolles bleibt bestehen, Unsinniges geht kaputt.“ Die Menschheit benimmt sich in seinen Augen aktuell wie „der nächste große Meteorit“, nur bedacht auf wirtschaftliches Wachstum, mit kaum noch Interesse daran, ein funktionierendes Ökosystem aufrechtzuerhalten. „Der Wald filtert Schadstoffe, produziert Sauerstoff, hält Feuchtigkeit, bietet einen Lebensraum für unzählige Tiere und dient als Erholungsort. Damit das so bleibt, muss man sich auch entsprechend um ihn kümmern“, ergänzt er. Florian Diehl möchte wieder ein Bewusstsein für die Natur schaffen, sensibilisieren, Zusammenhänge zwischen dem Handeln der Menschen und den unmittelbaren und langfristigen Folgen aufzeigen. All das treibt ihn morgens aus dem Bett, zusätzlich zu seinem treuen, kaltnasigen Begleiter Wotan. Der muss schließlich auch mal raus.

Mit unserer Aktion „Gemeinsam Aufbäumen“ pflanzen wir für jede Umstellung auf papierlose, digitale Post automatisch einen Baum im Ingelheimer Stadtwald!

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Büroarbeit statt Baumkunde.

Man möchte meinen, dass Florian Diehl seinen Arbeitstag hauptsächlich an der frischen Luft verbringt, doch als Chef eines 14-köpfigen Teams besteht seine Hauptaufgabe in der Verwaltung. Er steht in engem Austausch mit der Stadt Ingelheim, bemüht sich um Unterstützung und berichtet von aktuellen Entwicklungen. Auf der Jahresabrechnung, ganz unten auf der letzten Seite, stehen zu oft rote Zahlen – der Wald kann eben nicht nur geben. Das Streben nach schwarzen Zahlen ist für ihn „wie eine Zitrone, die man bis zum letzten Tropfen ausquetscht und wir sind schon lange am Rand angekommen“. Als würde man sich eine neue Säge kaufen, nur um den Ast, auf dem man sitzt, noch schneller abzutrennen. „Aber meistens bekomme ich dann nach etwas Überzeugungsarbeit auch das, was ich brauche. Den Ingelheimerinnen und Ingelheimern liegt der Wald eben doch am Herzen.“

Aufbäumen für die Zukunft.

Die Baumpflanzaktion „Gemeinsam aufbäumen“ der Rheinhessischen ist für Florian Diehl eine schöne Sache, eine gute Gelegenheit, um den aktuellen Bestand zu erweitern. Eine verlässliche Basis bildet die Traubeneiche, diese wird bei der Aktion auch einen Großteil der Setzlinge ausmachen. Sie wird ergänzt um Buchen, Ahorn, Linden, Ebereschen, Speierling, Mehlbeeren und andere heimische Laubgehölze, die sollen die nötige Abwechslung bringen. Weg von der Monokultur, hin zum Mischwald. Das macht den Wald flexibler und resistenter, rüstet ihn für die Zukunft. „Die kommenden Generationen sollen schließlich auch noch etwas von ihm haben.“

Dass der Klimawandel auch im Ingelheimer Wald bereits Spuren hinterlassen hat, ist nicht zu übersehen. Die Sommermonate werden immer heißer, der Boden trockener und die Bäume sind durstig. Von seinem Bürofenster aus blickt Florian Diehl oft in „seinen“ Wald – einige Bäume sind oben bereits kahl. „Das passiert, wenn die Wassersäule im Baum abreißt, dann bekommt die Krone nicht mehr genug ab. Die Eichen sehen noch gut aus, aber den Buchen daneben kann ich oft nur noch beim Sterben zusehen. Das ist schwer zu ertragen.“

Waldbaden fürs eigene Wohl.

Ist es Florian Diehl eigentlich noch möglich, angesichts solcher Entwicklungen im Wald auch mal zu entspannen? In der Tat. Wenn er etwas Luft hat und zusammen mit Wotan und Familien-Hund Schnückel, einem Straßenhund aus Spanien, durch die Natur spaziert, gelingt es ihm hin und wieder, die beruhigende Atmosphäre auf sich wirken zu lassen und sich „an einem kleinen Vögelchen“ zu erfreuen: „Waldbaden nenne ich das.“

Den Beruf zum Hobby gemacht.

Grundsätzlich spielt das Engagement für den Ingelheimer Wald auch in Florian Diehls Privatleben eine große Rolle. Auf seiner Facebook-Seite führt er ein digitales Tagebuch, teilt in der Rubrik „Unterwegs im Stadtwald“ Eindrücke aus seinem Arbeitsalltag. Er postet idyllische Bilder eines verschneiten Sonntagmorgens, dokumentiert Vogelfütterungen und macht auch mal seinem Ärger über rücksichtslose Müllentsorgung und nicht gemeldete Wildunfälle Luft. Dabei ist er in stetem Austausch mit seinen Fans, beantwortet Nachfragen, bittet um Hinweise, organisiert Wanderungen, wie „Alldays for future“, bei denen er gemeinsam mit den Bürger:innen durch den Wald spaziert und sie für das „System Wald“ sensibilisiert.

Der Förster spricht gerne über seinen“ Wald und die positiven Erlebnisse, die er trotz der gelegentlichen Ärgernisse damit verbindet. „Hin und wieder fliegen wir mit einem kleinen Flugzeug drüber, es ist schon besonders beeindruckend, das Ganze von oben zu sehen. Aus der Perspektive wird einem die Größe erst richtig bewusst und man kann die Entwicklung im Laufe der Jahre besonders gut nachvollziehen.“

Ein Blick in die Zukunft.

Florian Diehls Leitbild ist ein altes indianisches Zitat: „Irgendwann werdet ihr lernen, dass man Geld nicht essen kann.“ Aus seiner Sicht muss die Gesellschaft dem Wald wieder die richtige Bedeutung beimessen: Wald vor Wirtschaft, Ökologie vor Ökonomie. Förderungen müssten größer ausfallen, Profit sollte zweitrangig sein. Der Förster merkt zwar, dass sich – sehr langsam – etwas tut, aber er ist überzeugt: Die Zeit drängt. Das Wohl des Waldes geht alle etwas an.

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