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RegionalRheinhessische

Kinder- und Jugendfarm Ingelheim. Natur fühlen, spüren und erleben.

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Ein Aktivspielplatz für Kinder und Jugendliche in unmittelbarer Nähe zum Naturschutzgebiet. Für Viele ein Traum. In Ingelheim Realität. Dank der Initiative von dreizehn Familien, die sich zusammenschlossen, um einen Wohlfühl- und Spielort der besonderen Art für Kinder und Jugendliche zu schaffen.

Entdeckungs- und Erlebnisräume schaffen.

Der erste sogenannte Krempelspielplatz wurde bereits 1943 auf Anregung des dänischen Landschaftsarchitekten Carl Theodor Sørensen in Kopenhagen realisiert. Ziel war es, Entdeckungs- und Erlebnisräume für Kinder zu schaffen, in denen sie sich und die Umgebung mit allen Sinnen wahrnehmen können. Die Idee fand sehr schnell auch in anderen Ländern Anklang. In Ingelheim schlossen sich auf Initiative von Alexandra Brecht-Klintworth gleich mehrere Frauen zusammen, um das Projekt in ihrer Stadt zu verwirklichen.

Das Ergebnis möchte ich mir selbst anschauen und marschiere an einem sonnigen Nachmittag los in Richtung Ober-Ingelheim. Am Waldrand angekommen, weisen Schaf und Huhn mir auf einem handgemalten Schild den Weg zur Farm, einer zauberhaften Mischung aus Kinderbauernhof und Abenteuerspielplatz. Hier können die kleinen Gäste auf einer Fläche von 8.000 m² ihr Bewegungsbedürfnis, ihren Erlebnishunger und ihre Neugierde stillen. An der schon etwas klapprigen Holzpforte erwarten mich Britt Ehinger und Arne Drephal mit Waldemar. Der schmusige Schafbock ist auf der Farm geboren und Liebling aller Kinder.

© Elke Wasserzier

Treffpunkt? An der Feuerstelle!

„Die Kinder und Jugendlichen können kommen und gehen, wann sie wollen, sie müssen sich nicht anmelden und sie können selbst entscheiden, wann, wie oft und wie lange sie uns besuchen. Wir verstehen die Farm als offenen Spielplatz, der für alle da ist“, betont Arne gleich zu Beginn. Britt ergänzt: „Für die Entwicklung von Kindern ist spielen elementar, es ist ein wichtiger und ernsthafter Vorgang, der höchsten Bildungscharakter hat. Naturnaher Raum als Spielort hat dabei eine besondere Bedeutung. Die Natur übt einen besonderen Reiz beim Sammeln von Erfahrungen aus. Dieses Erlebnis wollen wir allen Interessierten ermöglichen“.

„Wir verstehen die Farm als offenen Spielplatz, der für alle da ist“.
Arne Drephal

Zusammen mit etwa 20 weiteren Personen, fast ausschließlich Ehrenamtlichen, arbeiten die beiden schon seit vielen Jahren in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Damit leisten sie einen wichtigen Dienst an der Gesellschaft. Die Zahlen sprechen für sich: Jedes Jahr besuchen rund 4.000 Kinder und Jugendliche das weitläufige Gelände. Für sie ist es ein Zufluchtsort. Denn im Alltag und in der Schule wird vielen von ihnen so manches abverlangt. Hier können sie erst mal ankommen, sich erden. Es gibt keinen Leistungsdruck und keine Erwartungshaltung. Treffpunkt zu Beginn eines jeden Tages ist die Feuerstelle im Zentrum der Farm. Hier wird der Tagesablauf besprochen. „Bei uns herrscht Demokratie. Alle Kinder können sich einbringen und Vorschläge unterbreiten. Haben sie die besseren Ideen und Argumente, werden deren Pläne umgesetzt“, so Arne.

Bauen und Spielen nach Lust und Laune.

In den unterschiedlichen Bereichen können sich die Kinder entfalten, ausprobieren und selbst wahrnehmen. Sie bauen Piratenschiffe und Holzhütten, füttern und versorgen die freilaufenden Ponys, Hühner und Schafe, bauen Obst und Gemüse an und verarbeiten ihre Ernte zu Mahlzeiten.  „Sie lernen Verständnis und Verantwortung für Tiere, Natur und Umwelt. Unsere Farm ist ein Lernort nachhaltiger Bildung“, ergänzt Britt. Und natürlich bereitet es den Kindern einen Heidespaß, wenn sie in der gut ausgestatteten Holzwerkstatt aus einem Stapel Bretter ihre eigene Holzhütte bauen oder auch ein gemeinschaftliches Großprojekt angehen. So haben sie im letzten Sommer ein Piratenschiff gebaut, mit allem Drum und Dran - Steuerrad, Piratenflagge, Fernrohr. Dass jedes Kind auch sein eigenes Schwert und eine Augenklappe bastelt, versteht sich von selbst. Der Fantasie sind keine Grenze gesetzt.

„Die Kinder lernen Verständnis und Verantwortung für
Tiere, Natur und Umwelt.
Unsere Farm ist ein Lernort nachhaltiger Bildung“.
Britt Ehinger

Das gilt auch für den farmeigenen Garten. Hier bauen die Besucher allerlei Obst und Gemüse an, das sie später mit eigenen Händen ernten. Die Zutaten verarbeiten sie dann gemeinsam in der Farmküche zu Mahlzeiten. Nicht selten sind die Eltern erstaunt, wenn ihre Kinder plötzlich Gemüsesuppe mögen. Daheim noch verpönt, schmeckt sie selbstgemacht auf der Farm in Gesellschaft der Freunde köstlich.

© Die Farm

Zu den unzähligen Angeboten gehört auch ein gemeinsames Projekt mit Medienpädagogen aus Mainz, wie Arne berichtet. Sie waren schon mehrfach zwei Tage lang zu Besuch auf der Farm. Im Gepäck jede Menge iPads für ihr Medien- und Technikseminar. „Die Kinder lernen dabei spielerisch den Umgang mit Technik und neuen Medien. Bei dieser Gelegenheit ist auch unser Farm Video entstanden“. Auf das Ergebnis sind die jungen Filmemacher besonders stolz.

Tierisch gut.

Zwischenzeitlich gesellt sich Elke Wasserzier zu uns. Immer an ihrer Seite, die 14-jährige Mischlingshündin Holly. Elke ist schon seit den Anfängen dabei, ihr gehören einige der Tiere, die auf der Farm leben. „Die Versorgung der Tiere ist für viele hier ein Highlight. Putzen, füttern, misten. An allem beteiligen sich die Kinder mit Hingabe und Liebe“, weiß Elke. Jugendliche ab einem bestimmten Alter werden im Umgang mit den Tieren zu sogenannten Pony-Profis geschult. Als solche dürfen sie die Tiere auch allein ausführen und Ausritte machen. Damit lernen sie Achtsamkeit und Verantwortungsbewusstsein für Lebewesen und Natur.

Aber: „Die Pflege der Tiere nimmt auch sehr viel Zeit in Anspruch, daher freuen wir uns über jede Unterstützung. Gerade vormittags können wir noch Hilfe beim Füttern und Versorgen der Tiere brauchen. Wer tierlieb ist und sich gerne in der Natur aufhält und dabei noch etwas Gutes für das Gemeinwohl tun möchte, darf sich jederzeit bei uns melden“, wirbt Elke für Unterstützer. Von hinten stößt Waldemar zu uns und verlangt Streicheleinheiten. Elke ist in ihrem Element.

Szenenwechsel: Pfingstmontag! Der ist seit einigen Jahren der wichtigste Termin im Farmkalender. Denn dann wird das traditionelle Schafschurfest gefeiert. Bis zu 700 Zuschauer sind dabei, wenn Thomas Müller aus dem Westerwald mehr als ein Dutzend Schafe von ihrer Wolle befreit. Britt: „Thomas macht das ganz fantastisch. Unterhaltsam und kindgerecht erklärt er, warum eine regelmäßige Schafschur für die Gesundheit der Tiere unabdingbar ist“.    Nach getaner Arbeit gibt es zur Stärkung selbstgemachten Kuchen vom Buffet. Für Liebhaber herzhafter Kost läuft der Grillstand im Dauerbetrieb. Elke erinnert sich: „Anfangs war die Schafschur für uns noch ein kleines Fest mit einigen, wenigen Gästen. Das hat sich im Laufe der Zeit deutlich geändert. Mittlerweile ist dieses Event das bei Weitem meist besuchte auf der Farm“.

So ein Theater!

Zum Jahresende, wenn das Gelände schon für den Winter hergerichtet ist, steht ein weiteres Highlight an. Etliche Monate haben die Kinder und Jugendlichen damit verbracht, ein Theaterstück zu schreiben. Doch damit nicht genug.  Sie präsentieren es auch noch selbst - an St. Martin auf einer Open-Air-Bühne in Frei-Weinheim. Zusammen mit den Farmtieren. Ein außergewöhnliches Ereignis. In traumhafter Kulisse bestaunen über 500 Zuschauer, ausgestattet mit Laternen und Lichtern, wie die Kleinen die Geschichte vom hungernden, frierenden Bettler und dem Soldaten Martin erzählen, der selbstlos seinen Mantel mit ihm teilt.  Elke freut sich: „Die vielen, zeitintensiven Proben haben sich gelohnt. Das Publikum belohnt uns jedes Jahr mit tosendem Applaus“.

Förderung durch Spenden und Mitgliedschaft.

Finanziert werden all diese Angebote hauptsächlich durch Spenden. Unterstützung erhält die Farm seit einigen Jahren unter anderem vom Verein Herzenssache e.V., einer Kinderhilfsorganisation von SWR, SR und der Sparda Bank. Deren Schirmherr Hartmut Engler, Sänger der Band PUR, war 2019 sogar persönlich zu Gast auf der Farm und hat einen ganzen Tag lang mit den Kindern gespielt, getobt, gebastelt und gekocht. Ein aufregendes Erlebnis, nicht nur für die Kinder. Und auch die Integration ukrainischer Kinder kommt dank Herzenssache e.V. nicht zu kurz. „Seit diesem Sommer gibt es für Familien, die aus der Ukraine zu uns gekommen sind, jede Woche ein buntes Programm inklusive gemeinsamen Mittagessen. Hier können sie einheimische Familien kennenlernen und Freundschaften knüpfen. Einfach mal die Seele baumeln lassen und gemütlich beisammen sein“, freut sich Britt.

Auch die Rheinhessische setzt sich dafür ein, dass dieser Wohlfühlort für Kinder weiter ausgebaut werden kann. Traditionell verzichtet der Energieversorger bereits seit einigen Jahren auf die obligatorischen Weihnachtsgeschenke für Geschäftspartner und unterstützt stattdessen ehrenamtliches Engagement im direkten Umfeld. So durften sich die Verantwortlichen der Farm in diesem Jahr über einen Scheck in Höhe von 2.000 € freuen. Geld, das für das nächste Projekt dringend gebraucht wird. „Die Anschaffung eines großen Bauwagens als Aufenthaltsort, Büro und Treffpunkt, steht ganz weit oben auf unserer Wunschliste“, erzählt mir Arne. Er hat bereits klare Vorstellungen von Größe, Ausstattung und Standort. Erste Besichtigungen haben schon stattgefunden. Der Richtige war bislang noch nicht dabei. „Aber das ist nur eine Frage der Zeit“, schmunzelt er zum Abschied.

Maik Thum, Technischer Geschäftsführer bei der Rheinhessischen
© Maik Thum

„Die Förderung nachhaltiger Bildung liegt uns am Herzen.
Darum ist es uns eine Freude, die Kinder- und Jugendfarm zu unterstützen.“  

Sie möchten die Kinder- und Jugendfarm auch bei der Realisierung ihrer Projekte unterstützen?  Mit einer Spende oder Mitgliedschaft leisten Sie einen wertvollen Beitrag zum Erhalt dieser Naturoase in unserer Stadt.

Autorin Ruth Schiffer, Mitarbeiterin Rheinhessische: „Als Kind hat mich nichts im Haus gehalten. In jeder freien Minute bin ich mit Freunden durch die Natur gestreift, wir haben im Weiher gebadet, sind auf Bäume geklettert und haben Kartoffeln im Lagerfeuer gegrillt. Blessuren, Kratzer oder Schrammen haben uns nicht gestört. Wir wollten entdecken, erleben, toben, uns ausprobieren und ausgelassen sein. Kaum hatte ich die Farm betreten, fühlte ich mich in diese Zeit zurückversetzt“.

 

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