Am Rand des Ingelheimer Stadtgebiets tut sich etwas: Wo heute Ackerflächen liegen und vereinzelt Wein wächst, könnte die Region schon in wenigen Jahren zusätzlich klimafreundlichen Strom ernten. Sieben hochmoderne Windkraftanlagen sollen die Energiewende in Rheinhessen weiter vorantreiben. Das Ziel: mehr grüner Strom direkt vor Ort mit Wertschöpfung für die Region – ein deutliches Signal für Klimaschutz und regionale Unabhängigkeit.
Wertschöpfung in Rheinhessen.
„Uns geht es darum, dass unsere Region von der Energiewende profitiert“, sagt Martin Wunderlich, Geschäftsführer der Rheinhessischen Energie- und Wasserversorgungs-GmbH in Ingelheim am Rhein. „Wir wollen die Wertschöpfung hier in die Region holen, statt Grünstrom aus Wasserkraftwerken in den Alpen liefern zu lassen.“ Der Mehrwert für die Menschen im nördlichen Rheinhessen, für das Unternehmen und nicht zuletzt seine Kundinnen und Kunden soll vor Ort entstehen. Genauer gesagt: am Mainzer Berg.
Aus Ingelheim – für Ingelheim.
Im Kern steht die Erweiterung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen auf lokalem Grund. Sieben Windkraftanlagen sollen begleitet von einer Photovoltaikanlage für die Energie der Zukunft sorgen. Die Region profitiert mehrfach – nicht nur von der Stromerzeugung. Getragen wird das Projekt von der Stadt, umgesetzt vom kommunalen Energieversorger und GEDEA-Ingelheim, einem Unternehmen, das sich nicht nur auf erneuerbare Energieerzeugung spezialisiert hat, sondern über ein Kommandit-Modell auch die Bevölkerung daran beteiligt.
„Wir wollen die Wertschöpfung nach Rheinhessen holen – anstatt Strom aus den Alpen.“
Martin Wunderlich, Geschäftsführer der Rheinhessischen Energie- und Wasserversorgungs-GmbH
Flächennutzungsplan: Verfahren läuft.
Momentan befindet sich das Vorhaben mitten im Flächennutzungsplanverfahren der Stadt Ingelheim. Die Kommune ist verpflichtet, zwei Prozent ihrer Flächen als Vorranggebiete für Windenergie auszuweisen. Ein Büro für Raum- und Umweltplanung aus Mainz hat hierzu bereits Mitte 2023 eine Flächenpotenzialanalyse erstellt. Ausgeschlossen sind alle Gebiete mit Siedlungen und Wohnbebauung, Verkehrsflächen und ökologisch wertvolle Regionen. Und selbstverständlich muss auch übers Jahr gesehen genug Wind wehen.
100 Hektar am Mainzer Berg.
Übrig geblieben sind zwei Flächen mit zehn und 90 Hektar am südlichen Rand des Stadtgebietes am Mainzer Berg, wo vorrangig Landwirtschaft betrieben wird. Zu berücksichtigen sind zahlreiche Interessen von Anliegerinnen und Anliegern – nicht zuletzt auch die Einflugschneise des Flugplatzes Mainz-Finthen.
Überschaubarer Flächenbedarf.
„Im finalen Ausbau rechnen wir mit einem tatsächlichem Flächenbedarf von 6.000 Quadratmetern pro Windrad“, sagt Bianca Weis, Projektmanagerin bei GEDEA-Ingelheim. Diese werden als Kran-Aufstellflächen und zur Lagerung der Einzelteile, wenn die Windkraftanlagen geliefert werden, sowie für die Fundamente, auf denen die Windräder später stehen sollen, benötigt. „Für sieben Anlagen mal 6.000 Quadratmeter wird den rund 100 Hektar nur sehr wenig Fläche entzogen“, so Weis.
Energie für 35.000 Haushalte.
Sieben Windkraftanlagen sind derzeit auf den zwei Flächen am Mainzer Berg vorgesehen. Die aktuell geplanten Anlagen des Typs E-175 EP5 des Herstellers ENERCON gelten mit ihrer innovativen Generatortechnologie und leistungsstarken Steuerungstechnik als besonders effizient an Standorten mit Windverhältnissen wie am Mainzer Berg.
ENERCON E-175:
- 162 Meter Nabenhöhe
- 175 Meter Rotordurchmesser
- 249,5 Meter Gesamthöhe
- 7 Megawatt Nennleistung
Bei angenommenen 2.500 Volllaststunden pro Jahr (je nach tatsächlichem Windaufkommen) rechnen die Planer mit einer jährlichen Stromproduktion von insgesamt rund 17.500 Megawattstunden pro Windrad. Dies würde ausreichen, um etwa 5.000 Haushalte mit klimafreundlicher Energie zu versorgen (bei 3.500 Kilowattstunden Verbrauch pro Jahr). Ganz Heidesheim beherbergt ungefähr so viele Haushalte.
Alle Interessensvertreter sind eingebunden.
Um alle zu erreichen und einzubinden, haben die Rheinhessische und GEDEA-Ingelheim bereits im Vorfeld mit zahlreichen Interessensvertretern gesprochen: Unter anderem dem Bauern- und Winzerverein in Ingelheim und dem Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz. Die aufwendigsten Verhandlungen gab es mit den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern. Es geht um 682 Flächen und rund 200 Vertragspartner. „Hinter einigen davon stecken Erbgemeinschaften. Also noch mehr Personen“, weiß Bianca Weis. Insgesamt haben die Rheinhessische und GEDEA-Ingelheim im vergangenen Sommer über 220 Verträge versendet. Inzwischen haben fast alle notwendigen Vertragspartnerinnen und -partner unterzeichnet.
„Noch ist etwas Geduld gefragt, bis die erste Kilowattstunde vom Mainzer Berg kommt.“
Martin Wunderlich, Geschäftsführer der Rheinhessischen Energie- und Wasserversorgungs-GmbH
Pacht aus dem Pool-Modell.
Die Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer erhalten eine Pacht nach einem festen Schlüssel aus einem sogenannten Pool-Modell. Auf den Flächen, auf denen keine landwirtschaftliche Nutzung mehr möglich sein wird, liegen die Entgelte am höchsten. Diejenigen Eigentümerinnen oder Eigentümer, auf deren Grund weiterhin Wein, Obst und Getreide angebaut werden können, erhalten ein entsprechend geringeres Entgelt.
Erste Kilowattstunde noch in diesem Jahrzehnt?
Der genaue Zeitplan, wie es nun weitergehen könnte, hängt vom Abschluss des Flächennutzungsplans ab. Sind diese Hürden genommen, folgen naturschutzfachliche Untersuchungen und möglicherweise bereits Ende 2026 das Genehmigungsverfahren. Mit dem Baustart ist frühestens 2029 zu rechnen. Läuft alles glatt, könnte nach einem weiteren Dreivierteljahr die erste Anlage Strom produzieren.
Wind aus Rheinhessen, Strom für alle.
„Noch ist etwas Geduld gefragt, bis die erste Kilowattstunde vom Mainzer Berg kommt“, sagt Martin Wunderlich. Doch das Ziel ist klar: mit Wind aus Rheinhessen, Strom aus Bürgerhand, kluger Planung und einem lokal verwurzelten Zukunftsmodell einen messbaren Beitrag zur Energiewende für die Region zu leisten.
Antworten auf die häufigsten Fragen.
Hier finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen rund um Windparks im Allgemeinen und den Mainzer Berg im Besonderen. Die FAQ helfen dabei, schnell und unkompliziert die wichtigsten Informationen zum Projekt zu erhalten.
Erneuerbare Energien sind am wirkungsvollsten, wenn sie in der Nähe der Verbraucherinnen und Verbraucher den Strom produzieren. Dieser muss dann nicht durch aufwendige und teure Überlandleitungen von den Küsten oder den Alpen nach Rheinhessen gebracht werden. Außerdem bleibt die Wertschöpfung in der Region.
Das Windenergieflächenbedarfsgesetz vom Februar 2023 soll den Ausbau von Windenergie beschleunigen. Demnach müssen die Bundesländer bis Ende 2032 zwei Prozent ihrer Fläche für Windenergie ausweisen. Für die Genehmigung der Windenergieanlagen ist die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD) zuständig.
Im Konzept „Windenergie Flächenpotenzialanalyse“ für den „Flächennutzungsplan 2040 der Stadt Ingelheim am Rhein“ hat ein Ingenieurbüro das komplette Stadtgebiet untersucht. Als Standorte sind zum Beispiel Siedlungsflächen samt Abstandsflächen, Verkehrsflächen und schützenswerte Naturzonen ausgeschlossen. Bei den möglichen Standorten handelt es sich um landwirtschaftliche Flächen.
Die mit rund 90 Hektar größere Fläche „Mainzer Berg Nord“ liegt im südlichen Stadtgebiet, östlich der Ortslage Ingelheim-Süd. Der „Mainzer Berg Süd“ am südlichen Stadtrandbereich, östlich der Ortslage Großwinternheim, an der Grenze zur Gemarkung Schwabenheim, hat eine Fläche von rund zehn Hektar.
Die vorgesehenen Anlagen E-175 von ENERCON gelten mit sechs Megawatt Nennleistung als besonders effizient. Die sieben Masten sollen eine Nabenhöhe von 162 Metern haben. Bei einem Rotordurchmesser von 175 Metern wird die Gesamthöhe knapp unter 250 Metern betragen.
Bei sieben Windkraftanlagen des Typs ENERCON E-175 und angenommenen 2.500 Volllaststunden rechnen die Planer mit etwa 17.500 Megawattstunden pro Jahr. Genug, um rund 35.000 Durchschnitts-Haushalte mit klimafreundlicher Energie zu versorgen.
Unterm Strich alle. Die Grundstückseigentümer, auch die in der Nähe, erhalten eine Pacht nach dem Pool-Modell. Der Windpark entsteht in Zusammenarbeit zwischen „Die Rheinhessische“ und GEDEA-Ingelheim, einem Ingelheimer Projektentwickler für erneuerbare Energien mit jahrzehntelanger Erfahrung. Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, sich finanziell an den von GEDEA-Ingelheim umgesetzten Projekten zu beteiligen und so direkt zur Energiewende in der Region beizutragen. Die Wertschöpfung bleibt in der Region. Und am Ende profitiert natürlich das Klima durch die standortnahe Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien.
Auf Hase, Fuchs und andere Bodentiere haben Windenergieanlagen so gut wie keine Auswirkungen. Vogel- oder Naturschutzgebiete werden bereits bei den Genehmigungsverfahren berücksichtigt. Auch auf lokale Populationen wie Fledermäuse oder den Roten Milan gehen die Planungen ein.
Windenergieanlagen verursachen gewisse Betriebsgeräusche. Je nach Windstärke können Luftverwirbelungen an den Rotorblättern Schall erzeugen. Auch Getriebe und Generator geben meist Geräusche ab. Jede Windenergieanlage muss nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt werden.
Windräder sind mit einer Befeuerungsanlage ausgestattet, um eine Kollision mit Luftfahrzeugen zu verhindern. „Überwacht“ wird ein Zehn-Kilometer-Radius. Sobald ein Objekt innerhalb eines Sechs-Kilometer-Radius gelangt, fangen die Windkraftanlagen an zu blinken.
Derzeit entscheidet der Stadtrat von Ingelheim am Rhein über den Flächennutzungsplan. Bei einem positiven Ausgang könnten im Jahr 2026 die naturschutzfachlichen Untersuchungen starten. Das Genehmigungsverfahren könnte Ende 2026, Anfang 2027 über die Bühne gehen. Nach einer Bauzeit von einem knappen Jahr würde der Windpark Mainzer Berg noch vor 2030 zum ersten Mal klimafreundlichen Strom liefern.
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