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Regional

Eine Erfolgsgeschichte mit Hindernissen. Frauenfußball.

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Männer und Frauen gleichberechtigt behandeln – bei der Rheinhessischen eine Selbstverständlichkeit. Denn das regionale Unternehmen setzt sich für Gleichstellung, Diversität und gegen Klischees oder Diskriminierung jeglicher Art ein. Doch das ist leider immer noch nicht überall der Fall. Im Sport etwa werden Frauen bis heute oft und gerne unterschätzt. Vor allem im Fußball. Mit ihrem Beitrag zum Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten machen Lisa und Emma Kirsch – Schülerinnen der 10. und 12. Klasse der Hildegardisschule in Bingen – genau darauf aufmerksam. Sehr erfolgreich.

Einblicke: Das Thema Gleichstellung ist leider immer noch ein Randthema und gerade im Fußball alles andere als selbstverständlich. In eurer Arbeit für den Geschichtswettbewerb beleuchtet ihr die Entwicklung des Frauenfußballs von der Gründung bis heute. Wie kamt ihr darauf, euch für das Thema einzusetzen?

Lisa: Unser Geschichtslehrer Dr. Ralph Erbar hat uns darauf gebracht – anlässlich des Jubiläums 50 Jahre Frauenfußball. Er hatte die Idee, zu untersuchen, wie sich die Gleichstellung von Frauen im Fußball entwickelt hat. Und so zu zeigen, was für Erfolge Frauenfußballerinnen feiern konnten – sportlich und in Bezug auf die Gleichstellung. Wir fanden das Thema beide sehr spannend und konnten uns auch gleich gut hineinfühlen.

Emma: Genau, denn wir spielen beide schon seit vielen Jahren Hockey beim TSG Heidesheim. Wir haben also selbst erlebt, wie es ist, als junges Mädchen in einen scheinbar jungendominierten Sport einzusteigen. Das war auch für uns nicht immer einfach.

 

50 Jahre Frauenfußball – das ist eine lange Zeit. Sicher hat sich eine Menge getan?

Emma: Absolut. Gerade im Sport war damals die klassische Rollenverteilung noch weit verbreitet. Es gab klar getrennte Männer- und Frauensportarten. Doch nach und nach interessierten sich Frauen immer mehr für bis dahin eigentlich typischen Männersport. Etwa Fußball. Allerdings hatten es „Weiber“ gerade hier besonders schwer – Fußball galt nämlich noch lange als Kampfsportart. Und da hatten laut der Verantwortlichen zarte, zerbrechliche Damen nichts zu suchen. Mit der Folge, dass der Deutsche Fußball-Bund, kurz DFB, Spielerinnen immer wieder offiziell untersagte, ihren Sport auszuüben.

Lisa: Erst vor 50 Jahren fiel das letzte Verbot im DFB. Doch trotz aller Anstrengungen bekommen Frauenmannschaften bis heute bei Weitem nicht die gleiche Beachtung und Anerkennung wie Männermannschaften.

Für eure Arbeit durftet ihr ja mit einer ehemaligen Spielerin sprechen, die die Anfänge hautnah miterlebt hat. Nämlich Bärbel Wohlleben aus Ingelheim. Wie war das?

Emma: Super. Bärbel Wohlleben ist eine beeindruckende Frau. Wir haben uns sehr darüber gefreut, mit einer solchen Pionierin für den Sport zusammenarbeiten zu dürfen. Sie hat uns von ihren Erlebnissen erzählt und uns sogar Bilder zur Verfügung gestellt. Dank unserer Oma hatten wir von Anfang an einen guten Draht zueinander. Denn sie und Bärbel Wohlleben sind Jugendfreundinnen und haben früher sogar zusammen Handball gespielt.

Lisa: Aber zum Teil war es auch wirklich schockierend, was sie erzählt hat. Sie musste sich immer beweisen und mehr geben als die Jungs, um beachtet zu werden. Selbst ihre großen Erfolge wurden eher belächelt. Von wegen: Wirklich, Mädchen können das auch? Und damit war sie nicht allein. Für meine Recherche habe ich mir viele Interviews und Dokumentationen angeschaut. Das war schon heftig, was sich die Spielerinnen damals anhören mussten.

 

Zum Beispiel?

Lisa: Besonders in Erinnerung blieb mir ein Interview mit einer Spielerin. Der Reporter fragte, ob sie denn überhaupt einen Kopfball machen könne? Sie käme ja gerade vom Frisör und da verrutsche die schöne Frisur doch gleich wieder. Einfach nur totaler Blödsinn.

 

Zum Hintergrund:

Die Arbeit der beiden Schwestern entstand als Einsendung für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Im Rahmen des Wettbewerbs konnten Kinder und Jugendliche, vom Grundschulalter bis 21 Jahre, auf historische Spurensuche gehen und die gesellschaftliche Rolle des Sports ergründen. Jahr für Jahr richtet die Körber-Stiftung den Wettbewerb aus. Und verleiht 550 Geldpreise auf Landes- und Bundesebene.

Das Thema der 27. Ausschreibung lautete „Bewegte Zeiten. Sport macht Gesellschaft.“ Bundesweit nahmen über 3.400 Schülerinnen und teil und reichten insgesamt 1.349 Beiträge ein. Lisa und Emma, 15 und 18 Jahre alt, wurden mit ihrer Arbeit Die gehören in die Küche! Entwicklung – Widerstände – Erfolge im Frauenfußball“ zu Landessiegerinnen von Rheinland-Pfalz gekürt und erhielten ein Preisgeld von 500 Euro.

 

Und wie ist der Stand heute?

Emma: Es hat sich wirklich viel getan. Inzwischen existieren unzählige Frauenmannschaften und die großen Spiele wie Europa- und Weltmeisterschaften oder auch der UEFA Cup finden für Frauen und Männer gleichermaßen statt. Bei internationalen Turnieren erspielt unsere weibliche Nationalelf regelmäßig Top-Ergebnisse. Rein statistisch gesehen, ist sie sogar erfolgreicher als das Männerteam. Trotzdem sind die Spielerinnen vor allem in Sachen Bezahlung immer noch benachteiligt. Männer verdienen schon in der dritten Bundesliga mehr als dreimal so viel wie die Sportlerinnen der Frauen-Bundesliga.

 

Was sollten Leser:innen unbedingt aus der Geschichte des Frauenfußballs mitnehmen?

Emma: Dass es immer noch viel zu tun gibt. Der Frauenfußball hat zwar schon eine große Entwicklung hingelegt, der Weg kann aber noch nicht zu Ende sein. Es herrschen nach wie vor zu viele Ungleichheiten.

Lisa: Da ist es umso wichtiger, über das Thema zu sprechen und dafür zu sorgen, dass gerade solche Geschichten nicht in Vergessenheit geraten. Sondern vielmehr im Mittelpunkt stehen. Mit dem Geschichtswettbewerb haben wir immerhin einen kleinen Teil dazu beigetragen.

Vielen Dank für das spannende Gespräch. Und noch einmal herzlichen Glückwunsch zu eurer verdienten Auszeichnung.

Haben Lisa und Emma Ihr Interesse an der Geschichte des Frauenfußballs geweckt? Dann lesen sie doch mehr zum Thema in der Jubiläumsreportage des ZDF.

Bildnachweis: IMAGO / WEREK, Lisa und Emma Kirsch, Bärbel Wohlleben

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