Ab 2025 müssen alle deutschen Stromlieferanten sogenannte dynamische Tarife anbieten. Im Gegensatz zu einem klassischen Tarif, bei dem über die gesamte Vertragslaufzeit dieselben Konditionen gelten, variiert der Strompreis in dynamischen Tarifmodellen – abhängig von Börsenpreisen, stündlich und bisweilen stark. Diese neue Art der Preisgestaltung soll Erzeugung und Verbrauch hierzulande besser koordinieren. Doch damit sich ein dynamischer Stromtarif wirklich lohnt, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Die Rheinhessische erklärt, welche das sind und worum es dabei eigentlich genau geht.
Warum überhaupt dynamische Stromtarife?
Objektiv betrachtet ist Deutschland in Sachen Ausbau der erneuerbaren Energien schon erfreulich weit gekommen. Diese positive Beurteilung gilt allerdings nur für den Aspekt Erzeugung. In den vergangenen Jahren entstanden jede Menge Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Im ersten Halbjahr 2024 deckte Strom aus erneuerbaren Quellen rund 58 Prozent des Bedarfs. Doch auch diese Medaille hat eine Kehrseite: Der Netzausbau hängt deutlich hinterher, was sich mehr und mehr als echtes Problem erweist. Denn weil die Stromproduktion mit Sonne und Wind naturgemäß stark von Tageszeit und Wetter abhängt und folglich massiv schwankt, kommt es schon seit vielen Jahren regelmäßig zu einer eigentlich unhaltbaren Situation: Wenn Haushalte und Betriebe die regenerativ erzeugte elektrische Energie nicht nutzen können, müssen Netzbetreiber ganze Wind- und Solarparks abschalten, um Überlastungen im Netz zu verhindern. Die ebenfalls praktizierte Alternative dazu überzeugt auch nicht: Übertragungsnetzbetreiber zahlen dafür, dass unsere Nachbarn – vornehmlich in Frankreich, Polen und Tschechien, aber auch Norwegen – bislang überschüssigen Ökostrom abnehmen.
Dynamische Tarife können ein Hebel dafür sein, ebendiese Entwicklung zu entschärfen. Denn sie bieten einen finanziellen Anreiz, Strom in den Zeiten zu verbrauchen, in denen er günstig zu haben ist. Also üblicherweise dann, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Oder anders formuliert: Dynamische Tarife sollen dabei helfen, die regenerativ arbeitenden Stromerzeugungsanlagen bestmöglich auszunutzen.
Wie werden die Preise bei dynamischen Stromtarifen bestimmt?
Bei einem dynamischen Tarif dient der Strompreis an der Börse – genauer gesagt am Day-Ahead-Markt – als Referenz. Dieser schwankt üblicherweise, weil sich die Preise an der Börse nach Angebot und Nachfrage richten. Das heißt, morgens, wenn in vielen Betrieben die Arbeit beginnt oder am frühen Abend, wenn die Mehrzahl der Menschen ihr Abendessen zubereitet, liegen die Preise wahrscheinlich höher als ein paar Stunden später, wenn die meisten schlafen. Darüber hinaus hat natürlich das Stromangebot einen entscheidenden Einfluss. Sobald etwa viel Wind weht und gleichzeitig die Sonne vom wolkenlosen Himmel scheint, entstehen sehr große Mengen Strom. Trifft dieses große Angebot auf eine vergleichsweise geringe Nachfrage, fallen die Preise.
Der Day-Ahead-Markt ist zentraler Bestandteil des europäischen Strommarkts, an dem etwa 300 Unternehmen Strom für den kommenden Tag handeln. Dabei ändern sich die Preise stündlich. Alle für den Folgetag geltenden Notierungen werden am vorangegangenen Handelstag bis 15 Uhr veröffentlicht. Stromerzeuger, wie Betreiber von Wind- und Solarkraftwerken oder Kohle- und Gaskraftwerken, sowie große Abnehmer – etwa Industrieunternehmen und Stromversorger – geben hier ihre Angebote und Nachfragegesuche für jede Stunde des folgenden Tages ab. Auf dieser Basis entsteht der Preis, der das verfügbare Angebot widerspiegelt. Und weil inzwischen viel Sonnen- und Windstrom entsteht, spielen Wetterprognosen natürlich eine wichtige Rolle.
Aus welchen Komponenten setzt sich der Preis in einem dynamischen Tarif zusammen?
Die Preise in dynamischen Tarifen setzen sich aus einem Arbeitspreis und einem Grundpreis zusammen: Der Arbeitspreis wiederum hat zwei Komponenten: Der Arbeitspreis 1 besteht aus Netzentgelten, Messstellenbetriebspreis, Vertriebskosten und staatlich induzierten Preisbestandteilen. On top kommt der Arbeitspreis 2, also der jeweils gültige Börsenpreis aus dem Day-Ahead-Handel. Beim Grundpreis handelt es sich um einen pauschalen, monatlich zu zahlenden Betrag für den Messstellenbetrieb, für die Bereitstellung des Stromanschlusses (Netzentgelt) sowie für Verwaltungs- und Abrechnungskosten.
Welche Voraussetzungen müssen für die Nutzung eines dynamischen Tarifs erfüllt sein?
Wer einen dynamischen Tarif nutzen möchte, braucht zwingend ein sogenanntes intelligentes Messsystem. Also einen digitalen Stromzähler, der die Verbrauchswerte in stündlichen Intervallen ermittelt und automatisch an den Messstellenbetreiber überträgt. Darüber hinaus müssen Nutzer:innen bereit und in der Lage sein, ihr Verbrauchsverhalten zu verändern (siehe nächste Frage).
Wie lassen sich mit einem dynamischen Tarif Kosten sparen?
Durch das Verlagern stromintensiver Vorgänge in Zeiten, in denen der Preis niedrig ist. Und genau hier wird die Angelegenheit wirklich komplex. Denn um das zu bewerkstelligen, braucht es ein gewisses Maß an Disziplin. So gilt es, täglich zu checken, zu welcher Uhrzeit der Strom am nächsten Tag wie viel kostet. Das Wissen allein bringt aber noch keinen Cent. Um wirklich Geld zu sparen, sollten Staubsauger, Waschmaschine, Geschirrspüler und andere größere Stromverbraucher vornehmlich in Zeiten laufen, in denen der Preis niedrig ist. Ebendies erfordert eine ziemlich gute Planung.
Mit zunehmender Digitalisierung sollte sich diese Situation verbessern. Denn mittelfristig dürfte es möglich sein, dass die intelligenten Messsysteme die verschiedenen Geräte steuern. Was aber auch in Zukunft nur dann zum gewünschten Ergebnis führt, wenn die entsprechenden Vorbereitungen getroffen sind – etwa die Waschmaschine beladen ist und auf den Einsatzbefehl wartet. Ergo: Ganz ohne Verhaltensanpassung wird es nicht gehen.
Für wen lohnt sich ein dynamischer Tarif?
Weil dynamische Tarife erst 2025 flächendeckend verfügbar sind, gibt es noch keine Erfahrungswerte. Fest steht aber, dass vor allem Haushalte mit höherem Verbrauch eher von einem dynamischen Tarif profitieren können als sparsame Singles. Denn auch hier gilt die Daumenregel: je höher der Verbrauch, desto größer das Einsparpotenzial.
Betreiber:innen von Wärmepumpen oder Wallboxen könnten aufgrund dieser beiden großen und noch dazu gut steuerbaren Verbraucher prinzipiell von dynamischen Tarifen profitieren. Ob der Wechsel aber wirklich lohnt, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Denn wer 2024 eine Wärmepumpe installiert hat, zahlt wegen geringerer Netzentgelte ohnehin schon einen günstigeren Preis – quasi als Bonus dafür, dass die Rheinhessische die Anlage in der Leistung reduzieren darf.
Gibt es Risiken? Und wenn ja, welche?
Sich in Sachen Preis direkt von der Börse abhängig zu machen, birgt natürlich auch gewisse Risiken. Weil eben erfahrungsgemäß nicht nur Angebot und Nachfrage eine Rolle spielen, sondern inzwischen auch geopolitische Entwicklungen und – nicht zu unterschätzen – die Psychologie. So stieg der Day-Ahead-Preis für eine Kilowattstunde am Tag der Bekanntgabe der US-Wahlergebnisse und des Aus für die Ampelkoalition zeitweise auf über einen Euro. Zugegeben, inzwischen haben sich die Kurse wieder auf einem normalen Niveau eingependelt. Aber was, wenn wieder etwas Vergleichbares wie vor etwa zwei Jahren passiert, als der Strompreis förmlich explodierte und die Börsenpreise während der großen Energiepreiskrise gut ein Jahr extrem hoch blieben? In einer solchen Situation sind klassische Stromtarife klar im Vorteil. Mit ihnen ist die Rheinhessische in der Lage, auch solche Ausnahmesituationen für ihre Kund:innen längere Zeit abzudämpfen. Genau wie es im Winter 2021/2022 zu beobachten war. Und nicht zuletzt ist da noch der Risikofaktor Mensch. Denn wer nicht aufpasst und seinen Stromverbrauch entsprechend organisiert, zahlt wahrscheinlich mehr als in einem klassischen Tarif.
Fazit: Dynamische Tarife haben das Zeug dazu, Verbrauch und Erzeugung hierzulande besser in Einklang zu bringen. Bis sich die gewünschte Wirkung entfaltet, braucht es aber wohl noch ein paar Jahre. Einfach, weil der finanzielle Anreiz aktuell noch mit relativ hohen Komforteinbußen einhergeht oder weil das Verlagern des Verbrauchs schlicht nicht alltagstauglich ist. Höchstwahrscheinlich wird sich das mit der zunehmenden Digitalisierung ändern. Aber derzeit dürfte die Zahl derer, die einen dynamischen Tarif nutzen und mit seiner Hilfe wirklich nennenswerte Einsparungen bei den Stromkosten generieren, eher überschaubar ausfallen.
Selbstverständlich wird auch die Rheinhessische einen dynamischen Tarif anbieten. Alle wichtigen Infos sind ab dem 1. Januar unter www.rheinhessische.de zu finden.
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