Viele Hauseigentümer:innen sind verunsichert, wenn es um die altersbedingte Modernisierung der eigenen Heizung geht. Das politische Gerangel um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) – in der Boulevardpresse üblicherweise auf Heizungsgesetz verkürzt – und die öffentliche, über weite Strecken unsachliche Diskussion haben reichlich Verwirrung gestiftet. Darüber hinaus überfordern die zahlreichen neuen Vorschriften die meisten Laien. Im Interview erklärt Energieberater Stefan Brehm die Auswirkungen des GEG. Zudem zeigt er sinnvolle Wege auf, mit denen Betroffene eine anstehende Heizungssanierung angehen können.
Seine Heizung zu modernisieren, hat sich in den vergangenen Monaten zu einer durchaus komplexen Angelegenheit entwickelt. Was raten Sie Menschen, die jetzt eine neue Heizung in ihrem Altbau brauchen?
Ruhe zu bewahren, die persönliche Situation nüchtern zu bewerten – möglichst mit Hilfe von Fachleuten –, um dann eine sachliche Entscheidung zu treffen. Sich diese Zeit zu nehmen und alle Fakten zu beleuchten, halte ich für extrem wichtig. Denn momentan sind in Sachen Heizung so viele Variable im Spiel wie nie zuvor in meiner Karriere als Energieberater. Die gute Nachricht ist, dass es eben nicht zwingend eine Wärmepumpe sein muss, sondern nach wie vor auch verschiedene andere sinnvolle Optionen zur Wahl stehen.
Wie sehen diese Optionen aus?
Dazu müssen wir einen genaueren Blick auf das Gebäudeenergiegesetz werfen. Es gibt einen relativ klaren Rahmen für künftig zulässige Heizungssysteme vor. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass das GEG weder eine Technologie noch einen Primärenergieträger vorschreibt. Stattdessen legt es Quoten für erneuerbare Energien fest – kombiniert mit Fristen, bis wann sie einzuhalten sind. Ebendies lässt relativ viel Spielraum bei der Entscheidung. Tatsächlich kann es unter bestimmten Umständen heute noch schlau sein, in ein neues Erdgas-Brennwertgerät zu investieren. Was bis Ende 2028 überall in Ingelheim GEG-konform ist.
Stefan Brehm, Energieeffizienzberater bei der Rheinhessischen
Warum genau bis Ende 2028?
Hier kommt eine der erwähnten Fristen ins Spiel. Bis zum 31. Dezember 2028 muss die Stadt Ingelheim ihre kommunale Wärmeplanung vorlegen. Erst dann steht fest, wo welche Form der Wärmeproduktion zulässig ist. Bis dahin haben Hauseigentümerinnen und -eigentümer im Grunde die freie Wahl.
Und weshalb jetzt ausgerechnet noch ein Erdgas-Brennwertgerät?
Zuerst einmal vorweg: Erdgas wird noch viele Jahre verfügbar sein. Denn ganz nüchtern betrachtet, fehlen uns hier in Deutschland einfach die Alternativen, um in der Fläche Gebäude zu beheizen. Nur mit Wärmepumpen wird das nicht funktionieren. Und auch Fernwärme kann die entstehende Lücke nicht stopfen. Darüber ist sich die Fachwelt einig. Natürlich ist Erdgas keine Dauerlösung. Bei seiner Verbrennung entsteht nun einmal CO2 und es wird allein wegen des zu zahlenden CO2-Preises teurer. Aber Strom für eine Wärmepumpe zieht sehr wahrscheinlich auch im Preis an. Aus meiner Sicht sprechen aktuell zwei Argumente für ein Erdgas-Brennwertgerät: die vergleichsweise günstigen Anschaffungskosten und die Kombinationsmöglichkeiten. Vor allem darin sehe ich Potenzial.
Welches genau?
Erdgas-Brennwertgeräte sind sehr gut mit regenerativ arbeitenden Wärmeerzeugern kombinierbar – etwa mit Solarthermie-Anlagen oder mit Wärmepumpen. Und genau das macht die Angelegenheit richtig spannend. Denn erst ab 2030 schreibt das GEG einen Anteil an erneuerbaren Energien von 15 Prozent bei bestehenden Heizanlagen vor. Den kann schon eine vergleichsweise kleine Solarthermie-Anlage beisteuern. Auch eine Photovoltaikanlage, die im Grunde gar nichts mit der Heizung zu tun hat, wird anerkannt. Möglichkeit Nummer zwei: das Brennwertgerät ab 2029 mit Erdgas zu betreiben, dem 15 Prozent Biomethan oder grüner Wasserstoff beigemischt sind. Beides verkraften aktuelle Geräte ohne Probleme. Ich gehe davon aus, dass wir spätestens mit dieser Frist ein entsprechendes Gas-Produkt anbieten können. Selbst die nächste Hürde – also 30 Prozent erneuerbare Energien in der Heizung ab 2035 – würde noch nicht das Aus für ein in den nächsten knapp vier Jahren eingebautes Erdgas-Brennwertgerät bedeuten. Mit anderen Worten: Wer heute auf ein Brennwertgerät setzt, kauft sich in gewisser Weise Zeit.
Zeit kaufen? Wofür genau?
Um weitere Entwicklungen abzuwarten. Aktuell kann niemand seriös abschätzen, wie sich der Ausbau der erneuerbaren Energien entwickelt – weder bei den Brennstoffen Biomethan und Wasserstoff noch beim Strom. Davon abgesehen, rechnen alle Expertinnen und Experten in den nächsten zehn bis 15 Jahren mit neuen Heizsystemen, die deutlich effizienter arbeiten. Ein 2025 eingebautes Brennwertgerät hätte 2035 zehn Jahre hinter sich. Es stünde dann also ohnehin wieder ein altersbedingter Austausch ins Haus. Nicht zuletzt könnten auch geopolitische Entwicklungen oder die in eineinhalb Jahren anstehenden Wahlen die Karten neu mischen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass eine neue Regierung eine etwas andere Energiepolitik verfolgt.
Noch einmal zurück zu den Kombinationen, die Sie erwähnt haben. Worin genau bestehen hier die Vorteile?
Solche hybriden Systeme reduzieren das Risiko, aufs falsche Pferd zu setzen. Denn gleich was passiert – eine Wärmepumpe oder eine Solarthermie-Anlage bleibt auf jeden Fall aktuell. Sie mit einem Brennwertgerät zu kombinieren, heißt, seine Heizung nach und nach auf erneuerbare Energien umzustellen. Was die Investitionen über einen längeren Zeitraum streckt und – wie schon beschrieben – die Möglichkeit erhält, nachzujustieren, wenn neue, effizientere Systeme verfügbar werden. Dieses Vorgehen halte ich derzeit immer dann für sinnvoll, wenn das Gebäude bauartbedingt nicht für eine Wärmepumpe geeignet ist oder die Kosten dafür einfach aus dem Ruder laufen – etwa weil dann auch andere Maßnahmen, wie neue Heizkörper im ganzen Haus, nötig werden.
Das klingt alles sehr komplex. Wo können sich Betroffene eingehender informieren?
Zum Beispiel in unserer Mittwochssprechstunde. Darüber hinaus schreibt das GEG sogar vor, dass sich Eigentümerinnen und Eigentümer, die jetzt eine neue Heizung einbauen möchten, eingehend beraten lassen. Etwa von eingetragenen Energieberaterinnen und -beratern, Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfegern oder anderen Fachleuten. Auch ich biete eine derartige Beratung an.